Samstag, 20. November 2010
Alle Wege führen...
...zum Hauptplatz.
Wie auch viele weitere Plätze und Parks, nicht nur in der Innenstadt, wurde auch er für das Festjahr 2010 frisch renoviert.
Wenn man hier lange genug sitzen bleibt, begegnet einem tout Pécs.
Die Innenstadt ist übersichtlich und alle Wege streben unweigerlich auf den Hauptplatz zu.
Außerdem gibt es hier auch die wunderbaren Kuchen der Mecsek Konditorei in der Sonne zu genießen.
Ob ich mich wohl heute zu der viel gerühmten Thai-Massage um die Ecke traue?
Wahrscheinlich bleibe ich doch wieder gekrümmt am Schreibtisch hocken.
Meine Rückenschmerzen sind wohl noch nicht stark genug.
Donnerstag, 18. November 2010
Das weltweit einzige Roma-Gymnasium
Das Gandhi-Gymnasium in Pécs ist eine weltweit einzigartige Institution:
Es wurde vor 16 Jahren von Roma für Roma- und Nicht-Roma-Schüler gegründet.
Zur Zeit leben und lernen 212 Schülerinnen und Schüler an dem Internat.
Ich freue mich, dass meine Reportage über die Schule im Berliner FREITAG und im Wiener STANDARD erschienen ist.
Bei meinem Besuch im Kolleg am Rande der Stadt habe ich eine Gruppe junger Deutschschüler getroffen.
Aufgeweckt und lebhaft berichteten sie von ihrem Alltag.
Nur als "Roma" wollten sie nicht angesprochen werden:
"Roma!"
Bei dem Wort schaut die 18jährige Krisztina, als hätte sie gerade ihr Essen aus der Toilette gefischt.
"Der Begriff ist affig. Über-korrekt. Wir sind Zigeuner und wir sind anders."
So erklärt sie mir ihr Unbehagen.
Eine ungarische EU-Abgeordnete, die selbst Roma ist, äußert sich in einem Interview kritisch zum Gandhi-Gymnasium.
„Mindestens zehn Schulen könnten mit dem Geld betrieben werden“, sagt sie.
„Wenn die Gandhi-Schule nicht so teuer wäre, könnte sie vielleicht als Modell dienen.
Aber auch dann wäre ich dagegen, weil sie nicht integrativ ist.“
Als Krisztina mit dieser These konfrontiert wird, wechselt sie sofort ins Ungarische.
Ihre Lehrerin übersetzt den wütenden Schwall, vermutlich sehr viel moderater: „Leute, die noch nie hier waren und überhaupt keine Ahnung haben, sollten gefälligst ihren Mund halten!“
Doch Begegnungen mit anderen Gymnasien oder Auslandsreisen finden derzeit nicht statt, die Schüler bleiben unter sich.
Kriszti (14) wünscht sich mehr Austausch und Begegnungen außerhalb der Schule.
Wie ist es um die angemahnte Integration bestellt?
Ist die Gandhi-Schule ein Vorzeigemodell oder eine realitätsferne Insel der Seligen?
„Natürlich ist es eine Gratwanderung.
Die Gandhi-Schule bietet einen Schutzraum.
Aber er darf nicht zur Einbahnstraße werden.
Die Schüler müssen nach ihrem Abschluss den Sprung in die gesellschaftliche Wirklichkeit schaffen.“
Auch die Deutschlehrerin Andrea Ritter weiß, dass der Erfolg des Gymnasiums letzten Endes an der Zahl der Roma-Studenten aus seinen Reihen gemessen wird.
Der Bevölkerungsanteil der Roma liegt in Ungarn bei sieben Prozent.
Bei den Abiturienten und Studenten liegt er jedoch unter einem Prozent.
Diesen Wert gilt es zu erhöhen.
Ein Abiturient aus dem letzten Jahrgang des Gandhi-Gymnasiums studiert inzwischen mit einem Stipendium in Harvard.
Vielleicht gibt es in Ungarn irgendwann eine Staatspräsidentin, die Roma ist?
Eriks Ziel ist bescheidener. Er möchte Polizist werden.
Seine Lehrerin wendet ein: „Dafür bist du nicht groß genug.“
Doch so leicht lässt sich der Zehntklässler nicht den Wind aus den Segeln nehmen.
Er weiß: Wahre Größe kommt von innen.
Das hat er sicher bei Mahatma Gandhi gelernt.
Dessen Beharrlichkeit und friedlicher Widerstand führten schließlich zum Erfolg.
Nicht ohne Grund trägt das Gymnasium in Pécs seinen Namen.
Mittwoch, 17. November 2010
Abschiedslesung am 22. November
Meine Zeit in Pécs geht zuende und ich darf mich mit einer Lesung und Gespräch verabschieden.
Ich würde mich sehr freuen, Sie/Euch zu diesem Anlaß begrüßen zu dürfen!
Die Abschiedslesung findet auf Ungarisch und Deutsch statt:
am Montag, den 22. November, um 18 Uhr
in der Cella Septichora
(Besucherzentrum) unterhalb des Doms
Die Veranstaltung kostet keinen Eintritt.
Ab geht die Post
DAS HAUPTPOSTAMT VON PÉCS
Allein anhand des Wappens unterm Giebel des Hauptpostamtes läßt sich ein guter Teil der bewegten ungarischen Geschichte erzählen.
Im Sozialismus beispielsweise verschwand es gänzlich unter einem metallenen "Hammer und Sichel"-Emblem.
Dass es nicht ganz abgerissen wurde, war aber bereits eine subtile Form des Widerstands durch den verantwortlichen Handwerker.
Heute sind sowohl die christliche Symbolik der Engel als auch das königliche Wappen Groß-Ungarns wieder angesagt.
Dach und Fassade der Hauptpost sind mit Zsolnay-Fliesen und Baukeramik reich verziert.
Aber auch das Innere des Gebäudes ist sehenswert.
Es gibt eine kleine Post-Ausstellung, ein prachtvolles Treppenhaus und einen lichtdurchfluteten Filialraum zu bewundern.
Allein anhand des Wappens unterm Giebel des Hauptpostamtes läßt sich ein guter Teil der bewegten ungarischen Geschichte erzählen.
Im Sozialismus beispielsweise verschwand es gänzlich unter einem metallenen "Hammer und Sichel"-Emblem.
Dass es nicht ganz abgerissen wurde, war aber bereits eine subtile Form des Widerstands durch den verantwortlichen Handwerker.
Heute sind sowohl die christliche Symbolik der Engel als auch das königliche Wappen Groß-Ungarns wieder angesagt.
Dach und Fassade der Hauptpost sind mit Zsolnay-Fliesen und Baukeramik reich verziert.
Aber auch das Innere des Gebäudes ist sehenswert.
Es gibt eine kleine Post-Ausstellung, ein prachtvolles Treppenhaus und einen lichtdurchfluteten Filialraum zu bewundern.
Römische Basilika
Mit Johann Habel durch die Stadt zu gehen, ist immer ein Erlebnis.
Dank ihm entdecke ich Neues an Ecken, an denen ich bereits hundert Mal vorbei gegangen bin.
Was hier aussieht wie ein Trümmerfeld, ist auch eins - allerdings ein archäologisch und bauhistorisch bedeutsames.
Es liegt in der Nähe des Hauptpostamtes.
Bei den Bauarbeiten für eine geplante Tiefgarage wurden hier zufällig die Überreste einer römischen Basilika entdeckt.
Der Denkmalschutz verbietet die Zerstörung der Ruinen, doch der Bau der Tiefgarage würde durch die dann nötige Erhaltung der Basilika kostspielig.
Der verantwortliche Bauherr hat die Bauarbeiten deshalb eingestellt.
Sehr wahrscheinlich bleiben die Gebäudereste nun, teilweise mit Planen abgedeckt, und unerschlossen, in dieser Brache liegen.
Bitte die digitale Temperaturanzeige auf dem zweiten Foto beachten:
19 Grad im November.
Dank ihm entdecke ich Neues an Ecken, an denen ich bereits hundert Mal vorbei gegangen bin.
Was hier aussieht wie ein Trümmerfeld, ist auch eins - allerdings ein archäologisch und bauhistorisch bedeutsames.
Es liegt in der Nähe des Hauptpostamtes.
Bei den Bauarbeiten für eine geplante Tiefgarage wurden hier zufällig die Überreste einer römischen Basilika entdeckt.
Der Denkmalschutz verbietet die Zerstörung der Ruinen, doch der Bau der Tiefgarage würde durch die dann nötige Erhaltung der Basilika kostspielig.
Der verantwortliche Bauherr hat die Bauarbeiten deshalb eingestellt.
Sehr wahrscheinlich bleiben die Gebäudereste nun, teilweise mit Planen abgedeckt, und unerschlossen, in dieser Brache liegen.
Bitte die digitale Temperaturanzeige auf dem zweiten Foto beachten:
19 Grad im November.
Dienstag, 16. November 2010
Herzliche Einladung zur Lesung an der Uni!
Montag, 15. November 2010
"Einmal Schweden" in Jelenkor abgedruckt
Ich freue mich sehr, dass die renommierte ungarische Literaturzeitschrift Jelenkor meine Kurzgeschichte "Einmal Schweden" in der Übersetzung von Tímea Pénzes abgedruckt hat.
Die Erzählung ist in der aktuellen November-Ausgabe enthalten.
Mein gesamter Band "Hochzeiten" liegt in der Übersetzung von Tímea Pénzes vor, die auch als Schriftstellerin einen Namen hat.
Derzeit sind wir auf der Suche nach einem geeigneten Verlag für die Publikation.
Redaktionssitz von Jelenkor ist übrigens Pécs - im Haus der Künste und der Literatur am Hauptplatz, das gerüchteweise nächstes Jahr aus finanziellen Gründen geschlossen werden soll.
Das wäre jammerschade.
Die Zeitschrift Jelenkor existiert unabhängig von dem gleichnamigen, ebenfalls anerkannten Verlagshaus in Pécs.
Poppige Kühe aus Istanbul
Der An- und Ausbau der Galerie für zeitgenössische ungarische Kunst in Pécs ist fertig!
Die neue Glasfront erinnert Betrachter angeblich an das Wiener Museumsviertel.
In den neuen Räumen ist nun zeitgenössische Kunst aus Istanbul zu sehen.
Die Sammlung von Huma Kabakci ist eine der herausragendsten Sammlungen aktueller türkischer Kunst.
Von dokumentarischer Schwarzweißfotografie aus den 50er Jahren bis zur 2008 entstandenen Pop-Art einer mit der Burka verhüllten Frau lassen sich verschiedene Hauptströmungen in der Abbildung der türkischen Wirklichkeit nachvollziehen.
Sonntag, 14. November 2010
Die Musik der Zukunft
Der Neue Ungarische Musikverein (UMZE) blickt auf eine lange und prominent besetzte Tradition zurück.
Béla Bartók gehört zu den Gründern, Ligeti und Kurtág waren Mitglieder.
Am Samstagabend spielte das Kammerensemble des UMZE in der Aula der Medizinischen Fakultät in Pécs.
Die Zuschauerreihen waren angesichts des avantgardistischen Programms gut besetzt.
Je ein Stück von Schönberg und von den zeitgenössischen ungarischen Komponisten Vajda und Dinyés kamen zu Gehör.
Der Komponist Gergely Vajda dirigierte den Abend.
Die ersten beiden Stücke besaßen Hörspielcharakter:
Die schwarze Romantik von Schönbergs "Pierrot Lunaire" stammt aus dem Jahr 1912.
Der Dirigent und Komponist Gergely Vajda wagte eine aktuelle, auf Englisch vorgetragene Neu-Interpretation des Gulliver-Motives durch eine angebliche Reise in das maschinell perfektionierte "Faremido".
Beim letzten Stück füllte sich die Bühne: "Canti Senza Parole" von Dániel Dinyés (2010) erzählte wort- aber nicht ausdruckslos von Leben und Tod und dem kurzen Dazwischen.
Es dirigierte der aus Ungarn stammende aber in den Vereinigten Staaten lebende Nachwuchs-Dirigent Gergely Vajda.
Der Dirigent und Komponist ist seit 2005 der erste Dirigent des Sinfonieorchesters Oregon.
Freitag, 12. November 2010
Abschied in Sicht
Am 22. November wird in der Cella Septichora (um 18 Uhr) die Abschlußlesung für das Stipendium stattfinden.
Obwohl der Termin in fast zwei Wochen ist, scheinen die Glocken am Rathausturm für mich jetzt schon Abschied zu läuten.
Bei jedem Schritt versuche ich mir, die Stadt, ihre Gebäude, die Gerüche und Farben, einzuprägen.
Alles schreit: "Zum letzten Mal."
Zum letzten Mal laufe ich den Tettye-Berg hinauf. Zum letzten Mal kaufe ich im Konzum. Zum letzten Mal genieße ich die warme Herbstsonne.
Fünf Monate sind fast ein halbes Jahr.
In dieser Zeit habe ich viel geschrieben, mir sehr viele Orte und Veranstaltungen in Pécs und Umgebung angesehen, viele, liebenswerte und interessante Menschen getroffen, mehrere Lesungen an der Universität, bei einer internationalen Germanistenkonferenz und in einem örtlichen Gymnasium gegeben, an einem Literatur- und einem Filmfestival in Pécs teilgenommen, zig Festivals als Zuschauerin besucht, eine Reportage aus Pécs in Deutschland und in Österreich veröffentlicht, für diesen Blog fotografiert und geschrieben und selbst unzählige Interviews sowohl für deutschsprachige als auch ungarische Medien gegeben.
Die mediale Aufmerksamkeit für Pécs und das Stipendium war überwältigend:
ZDF und ARD haben über den Stadtschreiber-Posten berichtet.
Bereits im Vorfeld der Reise gab es zwei Radiotermine. Hier vor Ort habe ich zuletzt für Ö1 und davor für SWR3 und Radio Fünfkirchen ein Audio-Interview gegeben.
Die Interviews mit Printjournalisten kann ich gar nicht mehr zählen.
Auch über die ungarischen Berichte habe ich den Überblick verloren.
Trotzdem fragen mich selbst Journalisten immer noch: Pécs - wo und was ist denn das?
Es ist zu hoffen, dass von dem Blätterwirbel auch nach dem Ende des Kulturhauptstadtjahrs etwas hängenbleibt.
Pécs ist reich an Geschichte, reich an Geschichten.
Es ist eine schöne, eine sehr beschauliche Stadt.
Ein Dornröschenschlaf ist ihr nicht zu wünschen.
OBEN Jugendstil-Pracht: Der Speisesaal des Hotels Palatinus
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