Posts mit dem Label Ungarndeutsche werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Ungarndeutsche werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Sonntag, 3. Oktober 2010

Ohne Busen im mobilen Haus


In der Ormansag hatte ich sie umsonst gesucht, im Hof des Volkskundemuseums von Pécs glaubte ich zuerst fündig zu werden:
Ich hielt das dort stehende Häuschen für ein Talpasház - ein mobiles Haus.
Es handelt sich aber um eine Art Getreidespeicher.
Leider unverrückbar.

Trotzdem finden sich im Museum viele Informationen:
Die mobilen Häuser entstanden im Überschwemmungsgebiet der Drau, südwestlich von Pécs.
Die Fachwerkhäuser stehen auf Sohlenbalken ohne Fundament.
Stieg das Wasser, zogen Ochsen mit Hilfe von untergelegten Rollen das Haus an einen sicheren Ort.

Im Museum sind neben traditionellen Wohnungseinrichtungen, Keramiken und anderem Gerät auch viele Trachten ausgestellt.

Die Originaltrachten wurden ursprünglich für Erwachsene geschneidert.
Heute passen nur noch Kinder hinein, erzählt Andrea Vándor vom Volkskundemuseum.
So sehr haben sich die Proportionen im Lauf der Jahrhunderte geändert.

Auch die ästhetischen Ansprüche haben sich zusammen mit den körperlichen gewandelt.
Die weiblichen Silhuetten von damals erscheinen uns heute plump.
Aber gerade das galt als schön.
Die Frauen hatten weniger Busen und selbst der wurde nicht betont, sondern versteckt, die Beine und die Hüfte dafür aufgepolstert.
Frauen sollten kräftig sein und viele Kinder gebären können.

Das Volkskundemuseum selbst versteckt sich in einem unscheinbaren Gebäude am Kreisverkehr von Rákózi út und Szábadsag utca.
In der Mitte der Straße steht die Zsolnay-Statue.

Die schwarze Tracht ist eine ungarndeutsche, die andere eine bosnische.

Freitag, 24. September 2010

Lesen und Lesen lassen

Weinernte und intern. Autoren in Pécs

Gestern war ich als Erntehelferin in Großnarad, einem ungarndeutschen Dorf in Nähe Mohacs, nur 5 km von der kroatischen Grenze entfernt.

Blaue und weiße Trauben habe ich gepflückt, von den Reben geschnitten und in die Fässer geschüttet.
Zusammen mit zwei Handvoll weiteren Helfern aus dem Freundes- und Familienkreis.
Der Weinberg war zum Glück sehr übersichtlich.
Pünktlich zur Mittagszeit konnten wir uns alle zum Gulasch/Pörkölt unter den Nußbaum setzen.
Das frühe Aufstehen um 5 Uhr hat sich gelohnt.

Abends lasen 14 internationale Autoren im Kulturkért unter freien Himmel.
Die Lesung war trotz vieler Konkurrenzveranstaltungen gut besucht.
Hauptsächlich Studenten blätterten in den dicken dreisprachigen Readern, während auf der Bühne die ungarische Übersetzung vorgetragen wurde.

Donnerstag, 23. September 2010

"ERZÄHLER sind in der Stadt" im Lenauhaus

Vom 28.9.-3.10.2010 sind die Geschichtenerzählerin Helga Gruschka und der Bühnenerzähler Dr. Norbert Kober in Pécs.

Am 28. um 19 Uhr beginnt im Lenau-Haus ein Erzählabend, an dem die beiden deutschen Profi-Erzähler eine Kostprobe aus ihrer Kunst geben.

Während der Woche veranstalten sie Workshops für Schüler und einen speziell für Lehrer.

Am 2. Oktober (Samstag) ist um 19 Uhr ein "Erzählfestival" im Lenau-Haus, an dem Menschen, die Geschichte(n) haben und vielleicht während der Woche sogar auch an 1-2 Veranstaltungen der deutschen Geschichtenbauer teilnahmen, sie vor einem Publikum präsentieren können.

Über die Details informiert das Lenauhaus Interessierte gern persönlich sowie via Email oder Telefon: 72/332 515

Sonntag, 19. September 2010

Walking in the rain & (Deutsche) Leute am Sonntag

Bis auf den letzten Platz gefüllt war der Festsaal des deutschen Gymnasiums.
Wegen dem Regen fanden die Freilichtveranstaltungen des Deutschen Tags dort statt.

Trotz Regen waren sowohl der Bauhaus-Rundgang am Freitag als auch der Deutsche Tag heute gut besucht.

Obwohl es in Strömen goss, kamen fast 30 junge Leute an die ehemalige Moschee am Hauptplatz.
Hier begann der Architekt Zsolt Lászlo seinen Rundgang zu den vom Bauhaus inspirierten Gebäuden in Pécs.
Denn auch die aus den 30er Jahren stammenden Anbauten der inzwischen als Stadtkirche dienenden Moschee werden in Pécs dem Bauhaus zugerechnet.

Freitag, 17. September 2010

19.9. Deutscher Tag/20.9. Tag der Roma

Am Sonntag dreht sich im Burggraben/Barabkán Várárok, dem Domplatz und dem Sétatér alles um die ungarndeutsche Kultur.

Bei Regenwetter finden die Freilichtveranstaltungen im Festsaal des Klara-Leöwey-Gymnasiums statt, gegenüber dem Domplatz (Szent Istvan tér 8-10).

Ab 9:30 Uhr gibt es Spiele und Kasperletheater für Kinder.
Ab 16:30 Uhr stellen sich verschiedene Gruppen mit Musik und Tanz auf der Bühne vor.
Um 18 Uhr spielt die Schnapskapelle.
Gleichzeitig findet eine Diavorführung zu Schauplätzen des ungarndeutschen Kulturerbes im Lenauhaus statt.
Ab 19 Uhr folgt das Galaprogramm mit Musik.

Am Montag gestalten die Roma mit Musik & Kulinarischem das Programm:
Eine Kossuth-Preisträgerin wird nicht nur kochen, sondern auch musizieren.
Abends gibt es Rap-Musik.

Dienstag, 10. August 2010

TEIL 2 Johann Habel: Ungarndeutsch - woher, wieso, warum?


Johann Habel stammt aus einer ungarndeutschen Familie.
Er wuchs in einem Dorf in der Nähe von Pécs auf.

Groß-Narad (ungarisch: Nagynyárád) ist eine der vielen Siedlungen, die vor etwa 300 Jahren von Deutschen neu gegründet wurden.

Das Dorf existierte bereits vor der osmanischen Herrschaft, wurde aber entvölkert.
„Mein Bistum ist fast verödet und unbewohnt, deswegen benötigt es gerade solche Leute. Ich erkläre mich bereit, Katholiken deutscher Nationalität aufzunehmen.“
Das schrieb Bischof Radanay schon 1688 an die Hofkammer.
Der habsburgische Kaiser siedelte hier zusammen mit den kirchlichen und weltlichen Grundherren gezielt deutsche Bauern an.

Im 17. und 18. Jahrhundert kamen auf diese Weise etwa eine halbe Millionen deutsche Bauern und Handwerker in das heutige Ungarn.

Bevor die Gegend Ende des 17. Jahrhunderts in die Hand des Hauses Habsburg geriet, hatten in Pécs fast 150 Jahre lang die Osmanen geherrscht.
Zwei Moscheen sind heute die offensichtlichsten Überbleibsel aus dieser Epoche.

Die kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Türken hatten die Gegend südlich von Pécs fast vollkommen entvölkert.
Deshalb forcierte der Kaiser das sogenannte „Einrichtungswerk“, die Wiederbevölkerung der frisch eroberten Gebiete.

Die Familien stammten aus dem Elsass, aus Lothringen, aus der Pfalz, dem Saarland, aus Baden-Württemberg, aus Luxemburg, Hessen, Franken und Bayern. Einige kamen auch aus der Schweiz, aus Westfalen, Preußen, Sachsen, Thüringen, aus Österreich, Böhmen und Mähren.

Heute spricht man oft von „Donauschwaben“ oder der „Schwäbischen Türkei“.
Hübsche Schlagwörter, aber leider irreführend.

Zutreffender ist die Bezeichnung als „Stiffoller“ (vom Stift Fulda). In der Gegend um Fünfkirchen kamen viele der Bauern aus der Gegend rund um Fulda, so dass sich hier ein hessisch geprägter Dialekt erhalten hat.
Johann Habels Familie gehört zu den „Stiffollern“.

DIALEKT
Leider habe ich bisher nur zwei Sätze im Dialekt gehört.
Da ich aus Hessen stamme, klangen sie seltsam vertraut.
Ich bin aber nicht sicher, ob ich einem ganzen Gespräch im donauschwäbischen Dialekt folgen könnte.
Demnächst werde ich es ausprobieren.
Ich werde in die kleineren Dörfer rund um Pécs fahren.

Dort gäbe es ein einzigartiges Gemeinschaftsgefühl, schwärmte ein Mitglied der Hannoveraner Minstrels - eine der Volkstanzgruppen, die kürzlich zu dem Jugendtreffen nach Pécs gekommen waren.
Andere beschrieben mir die Dörfer als „lebendige Freilichtmuseen“.
Ich bin gespannt.

Rund um die Weinstraße in Villany stammen viele der Winzer aus ungarndeutschen Familien.
Vielleicht löst der Wein auch meine Zunge und ich kann endlich Ungarisch...

KNOBLAUCH MIT MARMELADE
Einstweilen gebärde ich mich in Geschäften und Lokalen meist wie eine Taubstumme. Mir schwant, wieso im Slawischen der Name für die Deutschen sich von dem Wort für „stumm“ ableitet:
Im Tschechischen etwa werden wir „nemecky“ genannt.
„nemy“ bedeutet „stumm“.
(Erneut muss ich hier die Betonungszeichen schuldig bleiben – die Tastatur gibt sie nicht her.)

Dabei bieten die slawischen Sprachen im Vergleich zum Ungarischen noch relativ viel verbale Anknüpfungspunkte.
Das Ungarische steht zusammen mit dem Finnischen in Europa ganz allein.

Einsam im undurchdringlichen Sprachregen fühle auch ich mich oft.
Besonders, wenn ich mein frisch gekauftes Marmeladenbrot in den Mund schieben will und erst dann merke, dass ich aus Versehen Knoblauchbrot erstanden habe.

Knoblauch mit Marmelade - das hilft zumindest gegen Vampire.
Falls die Blutsauger im Zuge der Stephenie-Meyerisierung der Welt auch nach Transdanubien kommen.

Samstag, 7. August 2010

JOHANN HABEL, Leiter des Lenau-Hauses TEIL 1


Johann Habel leitet seit 1996 das Lenau-Haus in Pécs, den Sitz des ungarndeutschen Kulturvereins Nikolaus Lenau e.V..

Das Programm des Lenau-Hauses stellt sowohl ungarndeutsche als auch bundesdeutsche Kultur in allen ihren Facetten vor.
Es gibt Lesungen, Debatten, Konzerte und andere Hochkultur, aber auch Abende, bei denen die Geselligkeit im Vordergrund steht, wie zum Beispiel bei den sogenannten Weinqualifizierungen. Fortbildungen für Deutschlehrer und Erzieher sind ein weiteres Angebot.

Die prosaische Bezeichnung „Geschäftsführer“ allerdings wird Johann Habel nicht gerecht.
Er ist ein Hansdampf in allen Gassen.
Für jemanden wie mich, die auf der Suche nach Geschichten aus Pécs ist, stellt er einen Fund vergleichbar mit dem Grimmschen Goldesel dar.
Wie dem Tier im Märchen die Münzen so fallen Johann Habel die Geschichten aus dem Mund.
Märchen erzählt er allerdings keine. Selbst bei 35 Grad im Schatten behält er die faktischen Zusammenhänge im Blick, erzählt ausschweifend und lebhaft von Vergangenheit und Gegenwart in seiner Heimatregion.

In diesem Blog beschränke ich mich auf einige wenige Stichpunkte, die ich in verschiedenen Einträgen vorstellen will. An anderer Stelle dann mehr.

Montag, 2. August 2010

An der Uni mit Dr. Zsolt Vitári


Dr. Zsolt Vitári stammt aus Pécs.
Er ist Assistent am Stiftungslehrstuhl zur deutschen Geschichte und Kultur im südöstlichen Mitteleuropa.

Heute zeigte er mir das Universitätsgelände an der Ifjúsát utja.
Die Universität Pécs besitzt keinen geschlossenen Campus - darüber seien die Pécser froh, sagte Zsolt Vitári. So verteile sich das Studentenleben über die ganze Stadt. Da Pécs sehr übersichtlich ist, sind die Strecken nicht weit.

Die Pécser Uni bezeichnet sich gern als die älteste und größte Universität des Landes.
Sie wurde 1367 gegründet.
Heute sind etwa 35 000 Studenten hier immatrikuliert.

Viele ausländische Studenten kommen vor allem zum Medizinstudium auf Deutsch oder Englisch nach Pécs.

Die Uni ist auch der größte Arbeitgeber in der Stadt. Dank ihr ist die Arbeitslosenquote in Pécs selbst niedrig. Sie liege bei etwa 6 %, schätzt Vitári Zsolt. In den umliegenden Dörfern gebe es z.T. 20-30 % Arbeitslosigkeit.

Der Stiftungslehrstuhl, an dem Zsolt Vitári arbeitet, erforscht die Geschichte der Deutschen im südöstlichen Mitteleuropa.
Beliebt für Diplomarbeiten sind vor allem Themen im Zusammenhang mit der gezielten Ansiedlung Deutscher vor etwa 300 Jahren sowie die Vertreibung nach dem 2. Weltkrieg.

Es gibt keine genauen Zahlen, aber Schätzungen gehen davon aus, dass nach 1945 etwa 200 000 Deutsche in Ungarn ausgesiedelt wurden.
Etwas mehr als die Hälfte blieb im Land.
Bei Volkszählungen gaben sie ihr "Deutschtum" nach dem 2. Weltkrieg selten an. Deshalb sind die Zahlen vage.
Nächstes Jahr findet wieder eine statistische Erhebung statt.
Es werde interessant sein zu sehen, ob nun häufiger auch amtlich ein ethnisches Bekenntnis erfolge, meinte Zsolt Vitári. Das wäre dann ein Beleg für ein verändertes gesellschaftliches Bewußtsein.

In seinen Seminaren provoziere er gern mit der Frage, ob es denn nicht eine Schande sei, dass die ungarische Nationalhymne von einem Deutschen stamme?
Die Studenten seien dann sehr verblüfft.
Ihnen sei nicht bewußt, dass der Komponist Ferenc Erkel deutscher Abstammung sei.

Natürlich gehe es ihm nicht um nationale Abgrenzung.
Er persönlich wünsche sich, dass in Ungarn im Geschichtsunterricht nicht immer nur der Fokus auf Großereignissen wie Schlachten gegen "die Türken" oder mit den "Österreichern" liege.

Ein verstärkter Fokus auf Regionalgeschichte und Aufmerksamkeit für die Verdienste anderer Völker am Staat Ungarn sei wichtig.
So hätten zum Beispiel "die Slowaken" Budapest aufgebaut und deutsche Architekten viele Gebäude dort konstruiert.
In der ungarischen Lehre gebe es die Tendenz, dass alle Menschen, die sich als nützlich für das Land erwiesen hätten, "magyarisiert" wurden.

Mit anderen Worten: Wenn ein Ungarndeutscher oder auch ein Roma jemand den Schädel einschlage, sei er ein Angehöriger einer Minderheit.
Wenn er aber eine schöne Kirche baue, sei er natürlich ein Ungar.