Freitag, 26. November 2010

Abschiedslesung in der Cella Septichora

Der Regen prasselte auf das Glasdach über unseren Köpfen, als in der Cella Septichora am Montag die Abschlußlesung für den Stadtschreiber-Posten stattfand. In einer Stätte des UNESCO-Weltkulturerbes zu lesen, war eine neue Erfahrung für mich. Vor Jahren saß ich mal im Bademantel vor meinen schwimmenden Zuhörern in einem Thermalbad. Damals dachte ich eigentlich, ich hätte den ungewöhnlichsten Leseort bereits erlebt. Aber bis auf die Katakomben in Rom gibt es auf der ganzen Welt keine mit den frühchristlichen, reich bemalten Grabkammern in Pécs vergleichbaren Funde. 

Montag, 22. November 2010

Reise ins Weiß


Morgen reise ich ab.
Mit einem weinenden und einem lachenden Auge.
Ich freue mich auf Zuhause, aber der Abschied von den tollen Menschen, die ich in Pécs kennengelernt habe, fällt mir nicht leicht.

Sollte der ungarische Staat sich demnächst noch eine dritte, auf pure Sympathie gründende Form der Staatsbürgerschaft einfallen lassen, wäre ich dabei.
Die Monate hier haben mich zur "Ungarin im Herzen" gemacht.

Insofern, liebes Pécs, auf keinen Fall:
Schnee drüber.
(So wie der Kunstschnee, der derzeit im Einkaufszentrum liegt)
Sondern:
Ich komme wieder und ich hoffe, auch von Euch zu hören!

Die neue Konzerthalle ist fertig!


v.l.n.r.: Carl-Erik Norrman, Károly Méhes, Beátá Seres vom Pécs2010-Kulturbüro

Begeistert zeigte sich der Präsident des Europäischen Kulturparlaments, Karl-Erik Norrman, von der Akustik der neuen Konzerthalle.

Das Urteil kam von einem Fachmann:
Karl-Erik Norrman hat früher als Sänger die meisten europäischen Bühnen kennengelernt.
In diesem Fall besichtigte er die Konzerthalle allerdings nicht für ein Konzert, sondern für die nächste Sitzung des EU-Kulturparlaments (Link in der Überschrift).

Aller Wahrscheinlichkeit nach wird sie im nächsten Herbst in Pécs stattfinden!

Károly Méhes aus Pécs, der als Schriftsteller Mitglied des Kulturparlaments ist, hatte seine Heimatstadt vorgeschlagen.


Die Konzerthalle wird Anfang Dezember offiziell eröffnet.

Sie liegt direkt neben der ebenfalls neu eröffneten Komitatsbibliothek und damit auf der neuen "Kulturmeile", die die Innenstadt bis zum Zsolnay-Kulturviertel verlängern wird.

Für die internationale Versammlung Kunstschaffender wäre die Pécser Konzerthalle in ihrer zweiten Eigenschaft als Konferenzzentrum ein hervorragender Ort.

Die Pécser Philharmoniker testeten die Klangverhältnisse im großen Saal bereits.
Nach Jahren ohne eigenen Spielort war die Akustik dort für sie überwältigend.
Der Raum ist so geschickt entworfen, dass es für den Klang keine Rolle spielt, ob alle 999 Plätze besetzt sind oder leer.

Neben weiteren Proben- und Konferenzräumen gibt es auch ein professionelles Tonstudio in dem Haus.
Es bietet sich insbesondere für die Aufnahmen von Filmmusik, aber auch für andere Produktionen an.

Leider konnte ich den großen Saal nicht photographieren - die Lichtverhältnisse waren zu schlecht für meine Kamera.
Ein gutes Foto ist aber momentan auf der www.pecs2010.hu-Website zu sehen!

Mein Bild zeigt lediglich den Ausschnitt eines Probenraums sowie (das dunkle) einen impressionistischen Eindruck der hölzernen Panelen im großen Saal.

Sonntag, 21. November 2010

Wenn Männer kochen


Sie nennen sich "Gastro Artists" und sind ein Männerkochverein - nicht professionelle, aber leidenschaftlicher Köche.

Am Freitagabend kredenzten sie für etwa 50 ausgewählte Gäste ein regional gefärbtes Novembermenü.

Von Grieben und Schmalz über eine wunderbare Brühe mit Kaninchen-Einlage, Karpfen blau bis zur Gänsekeule und Mohn-Kürbis-Strudel folgte ein kulinarischer Höhepunkt auf den nächsten.

Für Wein, Musik und Unterhaltung mit diversen Gastro-Texten war ebenfalls gesorgt.




(Dieses Bild ist pure Illustration - es entstand in Deutschland.
Leider hab ich die Fünfkirchener Gänsekeule nicht abgelichtet.)

Samstag, 20. November 2010

Lesung im Seminar zur ungarndeutschen Literatur


Normalerweise stellt Helmut Herman Bechtel in seinem Seminar am germanistischen Lehrstuhl der Fünfkirchener Uni ungarndeutsche Autoren vor.

Aus Anlass des Stadtschreiber-Stipendiums machte er eine Ausnahme und lud mich ein.

Nach einer schmeichelhaften und aufwändig gestalteten Einführung durch den Dozenten las ich eine in Pécs entstandene Erzählung.
Helmut Herman Bechtel und die Studenten hatten auch einen Fragenkatalog vorbereitet. Von Stichworten wie multikulturelle Gesellschaft bis zu Fragen nach dem Gandhi-Gymnasium bemühte ich mich Auskunft zu geben.

Außer den Seminarteilnehmern besuchten auch einige deutsche Austauschstudenten die Lesung.

Alle Wege führen...


...zum Hauptplatz.

Wie auch viele weitere Plätze und Parks, nicht nur in der Innenstadt, wurde auch er für das Festjahr 2010 frisch renoviert.

Wenn man hier lange genug sitzen bleibt, begegnet einem tout Pécs.
Die Innenstadt ist übersichtlich und alle Wege streben unweigerlich auf den Hauptplatz zu.

Außerdem gibt es hier auch die wunderbaren Kuchen der Mecsek Konditorei in der Sonne zu genießen.

Ob ich mich wohl heute zu der viel gerühmten Thai-Massage um die Ecke traue?
Wahrscheinlich bleibe ich doch wieder gekrümmt am Schreibtisch hocken.
Meine Rückenschmerzen sind wohl noch nicht stark genug.

Donnerstag, 18. November 2010

Das weltweit einzige Roma-Gymnasium


Das Gandhi-Gymnasium in Pécs ist eine weltweit einzigartige Institution:
Es wurde vor 16 Jahren von Roma für Roma- und Nicht-Roma-Schüler gegründet.
Zur Zeit leben und lernen 212 Schülerinnen und Schüler an dem Internat.

Ich freue mich, dass meine Reportage über die Schule im Berliner FREITAG und im Wiener STANDARD erschienen ist.

Bei meinem Besuch im Kolleg am Rande der Stadt habe ich eine Gruppe junger Deutschschüler getroffen.
Aufgeweckt und lebhaft berichteten sie von ihrem Alltag.
Nur als "Roma" wollten sie nicht angesprochen werden:

"Roma!"
Bei dem Wort schaut die 18jährige Krisztina, als hätte sie gerade ihr Essen aus der Toilette gefischt.
"Der Begriff ist affig. Über-korrekt. Wir sind Zigeuner und wir sind anders."
So erklärt sie mir ihr Unbehagen.

Eine ungarische EU-Abgeordnete, die selbst Roma ist, äußert sich in einem Interview kritisch zum Gandhi-Gymnasium.
„Mindestens zehn Schulen könnten mit dem Geld betrieben werden“, sagt sie.
„Wenn die Gandhi-Schule nicht so teuer wäre, könnte sie vielleicht als Modell dienen.
Aber auch dann wäre ich dagegen, weil sie nicht integrativ ist.“

Als Krisztina mit dieser These konfrontiert wird, wechselt sie sofort ins Ungarische.
Ihre Lehrerin übersetzt den wütenden Schwall, vermutlich sehr viel moderater: „Leute, die noch nie hier waren und überhaupt keine Ahnung haben, sollten gefälligst ihren Mund halten!“

Doch Begegnungen mit anderen Gymnasien oder Auslandsreisen finden derzeit nicht statt, die Schüler bleiben unter sich.
Kriszti (14) wünscht sich mehr Austausch und Begegnungen außerhalb der Schule.

Wie ist es um die angemahnte Integration bestellt?
Ist die Gandhi-Schule ein Vorzeigemodell oder eine realitätsferne Insel der Seligen?

„Natürlich ist es eine Gratwanderung.
Die Gandhi-Schule bietet einen Schutzraum.
Aber er darf nicht zur Einbahnstraße werden.
Die Schüler müssen nach ihrem Abschluss den Sprung in die gesellschaftliche Wirklichkeit schaffen.“

Auch die Deutschlehrerin Andrea Ritter weiß, dass der Erfolg des Gymnasiums letzten Endes an der Zahl der Roma-Studenten aus seinen Reihen gemessen wird.

Der Bevölkerungsanteil der Roma liegt in Ungarn bei sieben Prozent.
Bei den Abiturienten und Studenten liegt er jedoch unter einem Prozent.
Diesen Wert gilt es zu erhöhen.

Ein Abiturient aus dem letzten Jahrgang des Gandhi-Gymnasiums studiert inzwischen mit einem Stipendium in Harvard.
Vielleicht gibt es in Ungarn irgendwann eine Staatspräsidentin, die Roma ist?

Eriks Ziel ist bescheidener. Er möchte Polizist werden.
Seine Lehrerin wendet ein: „Dafür bist du nicht groß genug.“
Doch so leicht lässt sich der Zehntklässler nicht den Wind aus den Segeln nehmen.

Er weiß: Wahre Größe kommt von innen.
Das hat er sicher bei Mahatma Gandhi gelernt.

Dessen Beharrlichkeit und friedlicher Widerstand führten schließlich zum Erfolg.
Nicht ohne Grund trägt das Gymnasium in Pécs seinen Namen.

Mittwoch, 17. November 2010

Abschiedslesung am 22. November


Meine Zeit in Pécs geht zuende und ich darf mich mit einer Lesung und Gespräch verabschieden.

Ich würde mich sehr freuen, Sie/Euch zu diesem Anlaß begrüßen zu dürfen!

Die Abschiedslesung findet auf Ungarisch und Deutsch statt:

am Montag, den 22. November, um 18 Uhr

in der Cella Septichora
(Besucherzentrum) unterhalb des Doms

Die Veranstaltung kostet keinen Eintritt.

Ab geht die Post

DAS HAUPTPOSTAMT VON PÉCS

Allein anhand des Wappens unterm Giebel des Hauptpostamtes läßt sich ein guter Teil der bewegten ungarischen Geschichte erzählen.

Im Sozialismus beispielsweise verschwand es gänzlich unter einem metallenen "Hammer und Sichel"-Emblem.
Dass es nicht ganz abgerissen wurde, war aber bereits eine subtile Form des Widerstands durch den verantwortlichen Handwerker.

Heute sind sowohl die christliche Symbolik der Engel als auch das königliche Wappen Groß-Ungarns wieder angesagt.

Dach und Fassade der Hauptpost sind mit Zsolnay-Fliesen und Baukeramik reich verziert.

Aber auch das Innere des Gebäudes ist sehenswert.
Es gibt eine kleine Post-Ausstellung, ein prachtvolles Treppenhaus und einen lichtdurchfluteten Filialraum zu bewundern.

Römische Basilika

Mit Johann Habel durch die Stadt zu gehen, ist immer ein Erlebnis.
Dank ihm entdecke ich Neues an Ecken, an denen ich bereits hundert Mal vorbei gegangen bin.

Was hier aussieht wie ein Trümmerfeld, ist auch eins - allerdings ein archäologisch und bauhistorisch bedeutsames.

Es liegt in der Nähe des Hauptpostamtes.

Bei den Bauarbeiten für eine geplante Tiefgarage wurden hier zufällig die Überreste einer römischen Basilika entdeckt.
Der Denkmalschutz verbietet die Zerstörung der Ruinen, doch der Bau der Tiefgarage würde durch die dann nötige Erhaltung der Basilika kostspielig.
Der verantwortliche Bauherr hat die Bauarbeiten deshalb eingestellt.

Sehr wahrscheinlich bleiben die Gebäudereste nun, teilweise mit Planen abgedeckt, und unerschlossen, in dieser Brache liegen.


Bitte die digitale Temperaturanzeige auf dem zweiten Foto beachten:
19 Grad im November.