Dienstag, 31. August 2010

Graf Draculas Keller in Pécs

"Thank you for the music" klimperte die junge Frau am (noch trockenen) Montag auf dem Klavier (Teil des Pan-Balkan art pic-nic) auf dem Széchenyi tér.
Sie ahnt nicht, dass direkt unter ihr der Keller des Vaters aller Vampire liegt.


Archäologen entdeckten letzten Herbst, dass Graf Dracula ein 2stöckiges Gebäude in Pécs besaß und dessen Keller immer noch vorhanden ist.

"Als Besitzer des Gebäudes ist in alten Urkunden ein gewisser “Drakulya” eingetragen. Damit wird wohl der walachische Fürst Vlad III Draculea gemeint sein.

Dieser rumänische Kriegsherr, der ca. 1431 im transsilvanischen Sighisoara geboren wurde und viele Gräueltaten begangen haben soll, war die historische Vorlage für den Vampir Graf Dracula. Bram Stoker war fasziniert von dieser historischen Person und formte danach seinen Vampir in seinem Roman “Dracula“.

Vlad III Draculea war angeblich ein grausamer und blutgieriger Kriegsfürst. Das Foltern und Pfählen seiner Gefangenen erfreute sein sadistisches Gemüt besonders."

Doch genauere, wissenschaftliche Erkenntnisse zu dem Keller soll erst ein Historiker-Kongress in wenigen Tagen hier in Pécs erbringen.
*
Weder mein versehentlicher Knoblauchbrotkauf noch meine Filmauswahl hier sind also ein Zufall:

Das Brot gehört wahrscheinlich zur stillschweigenden Schutzkampagne der albanischen Europa-Bäckerin mir gegenüber.
Sicher will sie mich vor nächtlichen Bissen bewahren.

Der neueste Teil der "Twilight"-Saga im Urania-Kino enthielt bereits Hinweise auf Draculas Erscheinen vor Ort, die sich dann in Julie Delpys "Die Gräfin" über die Jungfrauen mordende, ungarische Gräfin Elisabeth Bathory (1560-1614) verdichteten.

Demnächst steigt der Fürst der Finsternis wahrscheinlich persönlich zum Interview auf den Pécser Hauptplatz herauf.
Bitte exklusiv!

Nasse Piraten

Es regnet.

Kleine Bäche fließen in der Mitte der Fußgängerzone.

Die Sommerkleider verschwinden im Schrank.

Über mir ist ein deutscher Pirat eingezogen - zumindest soll die durch mangelnden Wind leider nicht näher definierbare, schwarze Flagge am Balkon wohl Freibeuterei andeuten.

Vermutlich handelt es sich um einen deutschen Studenten der Zahn- oder Humanmedizin.
Ich traf ihn am Garagentor.
Zwei nasse Radfahrer, beladen mit Lebensmitteln.

Nur die Deutschen schwingen sich bei diesem Wetter noch aufs Rad, meint Krisztina Juhász von der Germanistischen Fakultät, wo ich heute meine Lesung während der Germanisten-Tagung am 10. September um 19h im Haus der Künste und der Literatur am Széchenyi tér/Hauptplatz besprach.

Montag, 30. August 2010

Die Synagoge in Pécs


Eine Kippa aus Papier für die männlichen Besucher und 500 Forinth Eintrittsgeld - mehr ist nicht nötig, um die Synagoge in Pécs zu besichtigen.

Es gibt keine Wachen, keine Sicherheitskontrollen.
Für deutsche Besucher ist das ungewohnt.
Jüdische Institutionen kenne ich nur unter Polizeischutz.
Im Jahr 2010 muss die Pécser Synagoge nicht beschützt werden.


Die jüdische Gemeinde in Pécs bestand vor dem zweiten Weltkrieg aus rund 4000 Gläubigen.
Heute leben etwa 350 Menschen jüdischen Glaubens hier (Stand 2005).

In einem Häuserblock in der Nähe des Bahnhofs wurden die jüdischen Bürger ab Mai 1944 zusammengepfercht.
Züge brachten sie anschließend in die Vernichtungslager.
Seit ein paar Wochen erinnert ein Denkmal an den Gleisen daran.

Sonntag, 29. August 2010

Keramikkunst aus Delft und non-figurative Malerei


Zehn Keramikkünstler der niederländischen Galerie Terra Delft stellen momentan im Zsolnay-Museum aus.

Im Hinterzimmer des Zsolnay-Salons drängen sich die augenzwinkernden - mit nationalen oder sonstigen Emblemen spielenden - Exponate.

Die Kooperation kam durch die Pécser Keramikkünstlerin Márta Nagy zustande, die seit Jahren mit der niederländischen Galerie zusammenarbeitet.
Ihre Auswahl von zehn ungarischen Keramikkünstlern wird ab 4. September in Delft zu sehen sein.

Die Ausstellung im Zsolnay-Museum in der Káptalan utca 2 (Museumsstraße) läuft noch bis zum 16. Oktober (10-18h).

Hier noch ein Bild von der Vernissage zur "non-figurativen" Malereiausstellung neben dem Vasváry-Haus:

Die Ausstellung mit abstrakten Gemälden von Künstlern aus Pécs und dem Ruhrgebiet läuft bis zum 19.9.10:
in der Király u. 15, 1. Etage

Mittwoch, 25. August 2010

Bilder von Vrankic Davor im Vasváry-Haus


Die Familie Vasváry gehörte zu den reichsten Großindustriellen von Pécs.
Ihre prachtvolle Stadtwohnung (zum Teil mit Interieur) dient heute als Ausstellungsraum.
Die Räume allein sind einen Besuch wert!

Seit gestern stellt dort ein aus dem kroatischen Osijek stammender Künstler aus.

Vrancik Davors zum Teil raumfüllende Bleistiftzeichnungen sind noch bis zum 12. September, jeweils von 11 bis 19 h im 1. Stock der Kiraly Utca 19 zu sehen.

Die Ausstellung mit abstrakten Gemälden von Künstlern aus Pécs und dem Ruhrgebiet ist gleich nebenan, läuft bis zum 19.9.10 und ebenfalls sehenswert:
Király u. 15, 1. Etage

Sonntag, 22. August 2010

Die stille Straße



Der jüdische Friedhof in Pécs liegt versteckt - abseits des Stadtzentrums, nah bei einer früheren Station des Grenzschutzes, die heute von der Polizei genutzt wird.

Die Straße wird die stille Straße genannt.

Der Name erinnert daran, dass in Pécs rund 4000 jüdische Bürger von den Nationalsozialisten in die Vernichtungslager verschleppt und die meisten von ihnen getötet wurden.

Unter den Kindern überlebte angeblich nur ein Zwillingspärchen.
Als Versuchspersonen bei den medizinischen Experimenten Mengeles.

Samstag, 21. August 2010

Radtour Pécs-Barcs durch den Donau-Drau Nationalpark


Ich gestehe:

Meine Berichterstattung hält nicht Schritt mit meinen Touren in letzter Zeit.

Über Sopron, Tihany am Balaton und viele Orte in Pécs wollte ich eigentlich schon längst schreiben, doch nun komme ich gerade von einer 3-tägigen Radtour zurück.

Wir radelten (den gebrauchten Rädern vom Fahrradladen Fit-boys in Pécs sei Dank!) von

Pécs nach Matty (hinter Hárkany und Siklós)

von Matty nach Sellye

von Sellye nach Barcs
und von dort mit dem Schnellzug in knapp über einer Stunde zurück nach Pécs.

Da wir nicht wußten, dass gestern der Nationalfeiertag und alle Geschäfte und Restaurants auf der Strecke geschlossen waren, kamen wir hungrig und durstig wieder in Pécs an.

Auf der Vernissage mit abstrakter Malerei aus dem Ruhrgebiet und Pécs konnten wir dann aber zuerst unseren Flüssigkeitshaushalt ausgleichen und anschließend im Kulturgarten (Biergarten) auch unseren leeren Bauch füllen.

Die Tour führte durch wunderschöne, einsame Landschaften, durch Thermalbäder, Pferdehöfe, vorbei an Burgen, Moscheen, protestantischen Kirchen mit ihren Kassettendecken und durch herausgeputzte Dörfer mit akurat geschnittenem Rasen (sogar am Straßenrand) und den wildromantischen Donau-Drau Nationalpark, der auch die Grenze zu Kroatien bildet.

Zur Ausstellung und allem anderen - hoffentlich - bald mehr.

Jetzt geht's nach Mohacs, zum geschichtsträchtigen Schlachtfeld gegen die Türken.

Donnerstag, 19. August 2010

Ungarische Geschichten in Debrecen

Heute eine Folge von:
"Die Welt ist schnell und sie dreht sich überall."

Gestern noch in Debrecen, heute schon in Pécs.

Letztes Jahr im Mai hielt ich in Ostungarn eine Schreibwerkstatt für Germanistikstudenten ab.

Pécs war für mich damals ein unbekannter Fleck auf der Landkarte, ganz weit unten.

In Debrecen sah ich die pensionierten Jobbik-Sympathisanten täglich auf dem Hauptplatz demonstrieren, erfuhr, dass "Direktmarketing" (oder mit anderen Worten: der Verkauf von Zeitschriften-Abonnements an bayerischen Haustüren) ein begehrter Ferienjob sein kann und die Deutsche Telekom ein Callcenter in Debrecen unterhält.

Heute ist die Aufregung in Deutschland über die Jobbik-Wähler groß - und der Rest der ungarischen Bevölkerung, die nicht Jobbik gewählt haben, fühlt sich mit Schlägerbanden und Ewiggestrigen zusammen über den falschen Kamm geschoren.

Mittwoch, 18. August 2010

Neugierige Insulaner - Ungarn und die Poesie

Meine eigene Standortbestimmung in Ungarn ist und wird hoffentlich noch lange nicht abgeschlossen sein. Dieses Blog dient unter anderem als virtueller Notizblock bei meiner Suche.


Die Poesie gehört zu Ungarn wie Paprika, Palinka und Pörkölt … !

Das hat alles etwas mit der "Insel Ungarn" zu tun. Nahezu trotzig hockt es inmitten Europas, ist mit keinem, nimmt man mal die etwas mehr als zeitweilige Zwangsvermählung mit Österreich aus, richtig verwandt. Man wird nur von wenigen verstanden. Diese Isolierung hatte oft tragische Folgen, aber bot den Ungarn auch Chancen. Sie mussten sich Europa hineinholen. Ungarns Dichter hatten dabei natürlich den größten Anteil. Ich vermute, dass kein Land mehr fremde Literatur in die eigene Landessprache übersetzt hat - und es immer tun wird - als Ungarn.

"Ich glaube, die Ungarn haben ein viel, viel sensibleres und ein viel stolzeres Verhältnis zu ihrer Sprache und dann auch zu den Spitzenproduktionen dieser Sprache, zur Literatur als es die Deutschen haben. Das Wahrnehmen ihrer eigenen Literatur ist, glaube ich, hier viel, viel intensiver. Die Klassiker haben hier stärkere Präsenz und die Lyrik hat eine ganz, ganz wichtige Bedeutung, sie spielt häufig in der Entwicklung der Seele, der Herzen eine viel größere Rolle. Da ist das ein fester Baustein, ein Fundamentstein der eigenen Identität. Das sind dann in Deutschland schon mehr der Grenzgänger.

Diese zehn oder fünfzehn Millionen Ungarn auf der Welt sind im Grunde auch gezwungen das ernst zu nehmen, weil das eigentlich die Speerspitze ihrer Identität ist. Und dadurch gib es ein erstaunlich waches literarisches Bewusstsein trotz aller Tendenz, die es natürlich auch in Budapest gibt, dass man nur noch im Internet herum liest und ernsthaft eigentlich keine Bücher mehr liest. Trotzdem hat es die Literatur in Ungarn noch erstaunlich gut - auch unter den jungen Leuten gut."
Quelle: Deutschlandradio

Die zitierte Passage ist dem Manuskript zur oben verlinkten Radiosendung von Holmar Attila Mück entnommen.
Das Statement stammt von Wilhelm Droste, dem Chef des Kaffeehauses Eckermann in der Raday utca im Erdgeschoss des Budapester Goethe-Instituts. Parallel lehrt er Germanistik an der Budapester Universität.

Dienstag, 17. August 2010

Sprechen in den Wind

"Manchmal weiß ich:
wenn das Schreiben nicht, alle Dinge vereinend,
ein flüchtiges Sprechen in den Wind ist,
so ist es nichts."

Marguerite Duras hielt das so fest.

Schreiben bedeutet, sich der Ungewissheit des leeren Blatts auszuliefern.

Im Grunde sind alle Konzepte nichts als Rettungsanker, die einen ins Wasser ziehen sollen. Zum Schwimmen, Treiben, Sinkenlassen.

Dieses Meer aus Sprache, wenn das die Regie übernimmt, wenn die Sätze wie Wellen kommen, das ist dann der lustvolle Zustand, den viele Schriftsteller beschreiben und ersehnen.

Der Zustand, wenn nicht mehr sie selbst die Tastatur oder den Stift zu führen scheinen, sondern offenbar etwas Anderes, etwas Größeres, durch sie spricht.

Ich tauge nicht sonderlich zur Metaphysik, aber es gibt Bereiche - und das Schreiben gehört für mich dazu - die uns erheben, die uns eine Ahnung davon verschaffen, was über Nägelschneiden und Stromrechnungen hinaus eine Wirklichkeit besitzt.
Was zählt.