Freitag, 26. November 2010

Abschiedslesung in der Cella Septichora

Der Regen prasselte auf das Glasdach über unseren Köpfen, als in der Cella Septichora am Montag die Abschlußlesung für den Stadtschreiber-Posten stattfand. In einer Stätte des UNESCO-Weltkulturerbes zu lesen, war eine neue Erfahrung für mich. Vor Jahren saß ich mal im Bademantel vor meinen schwimmenden Zuhörern in einem Thermalbad. Damals dachte ich eigentlich, ich hätte den ungewöhnlichsten Leseort bereits erlebt. Aber bis auf die Katakomben in Rom gibt es auf der ganzen Welt keine mit den frühchristlichen, reich bemalten Grabkammern in Pécs vergleichbaren Funde. 


Im Gegensatz zu dem Schwimmbad im Wallis war der Veranstaltungsort in Pécs also wirklich einmalig. Der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Kulturforums östliches Europa, Winfried Smaczny, war extra aus Deutschland angereist, um mich zu verabschieden. Auch der Kulturdirektor Tamás Szalay von Pécs 2010 fand sehr warme Worte, obwohl er nicht von "Abschied" sprechen mochte. (Und er hat ja recht: Ich komme wieder.) Der Pécser Schriftsteller Károly Méhes führte ein lockeres Gespräch mit mir über die Zeit in Pécs und meine Erlebnisse. Ich las einige Blogeinträge und ihre Übersetzerin Nóra Szabo trug auch meine (von Timea Pénzes ins Ungarische übertragene) Erzählung "Lou" vor. Ich freue mich, dass die meisten Stühle in der Cella Septichora trotz des lausigen Wetters besetzt waren. Wenn die uns umgebenden Steine hätten reden können, dann hätten sie sich wohl auf Lateinisch ins Gespräch eingemischt - die Sprache des Zeitalters, in dem die Kapelle und die Grabmäler errichtet wurden. 

Das ist aber nicht sicher, denn schließlich wurden in den darauf folgenden Jahrhunderten in Pécs verschiedenste Sprachen gesprochen. Türkisch, Deutsch, Bosnisch, Serbisch, Kroatisch, Polnisch, Bulgarisch, Griechisch, Rumänisch, Ukrainisch, Romani... Der Heilige Stephan, der erste König Ungarns, war der Ansicht, eine Stadt sei arm, wenn in ihr nur eine Sprache gesprochen werde. Im 2. Jahrhundert n.Chr. schickte er seinem Sohn diesen wichtigen Hinweise zur Staatskunst. Er solle gezielt Fremde ansiedeln, um die Kultur des Landes zu bereichern, schrieb der König in seinem Brief. Leider habe ich das Zitat nicht wortwörtliche vorliegen. Aber ich werde mich danach auf die Suche machen. Denn mir scheint, dieser Ratschlag ist bis heute aktuell. Es kann nicht schaden, ihn öfter ins Gedächtnis zu rufen. (Bilder von der Veranstaltung folgen.) Dieses Foto zeigt leider keine Skulptur des Heiligen Stephan, sondern Janus Pannonius - auch ein berühmter Kopf der Stadt:

1 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo liebe Frau Maike,

vor einiger Zeit habe ich Ihnen schon mal lobend geschrieben. Mir ist ein kleiner zeitlicher Fehler in Ihrem schönen Artikel aufgefallen.
Ich kenne diese Aufforderung König Stephans (István) an seinen Sohn Emerich (Imre) auch und es ist gut, dass Sie es in diesem Zusammenhang erwähnen. Nur der Zeitraum des 2. Jahrhunderts nach Christi stimmt nicht, denn Stephan wurde um 1000 herum gekröhnt.

Gerade zur Zeit wird Ungarn von vielen kritisiert, weil es "selbstbewusster" geworden ist. Oft geschieht diese Kritik zu Unrecht und in falschen Relationen, Definitionen zu wahren Missständen in der Welt, wie ich finde.

Da ist es sehr schön und wichtig, dass jemand wie Sie auch die positiven Seiten Ungarns deutlich macht, die wahrlich weit überwiegen.

"Der Heilige Stephan, der erste König Ungarns, war der Ansicht, eine Stadt sei arm, wenn in ihr nur eine Sprache gesprochen werde.
Im 2. Jahrhundert n.Chr. schickte er seinem Sohn diesen wichtigen Hinweise zur Staatskunst.
Er solle gezielt Fremde ansiedeln, um die Kultur des Landes zu bereichern, schrieb der König in seinem Brief"

Schöne Grüße
Tibor aus Nürnberg

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