Dienstag, 10. August 2010

TEIL 2 Johann Habel: Ungarndeutsch - woher, wieso, warum?


Johann Habel stammt aus einer ungarndeutschen Familie.
Er wuchs in einem Dorf in der Nähe von Pécs auf.

Groß-Narad (ungarisch: Nagynyárád) ist eine der vielen Siedlungen, die vor etwa 300 Jahren von Deutschen neu gegründet wurden.

Das Dorf existierte bereits vor der osmanischen Herrschaft, wurde aber entvölkert.
„Mein Bistum ist fast verödet und unbewohnt, deswegen benötigt es gerade solche Leute. Ich erkläre mich bereit, Katholiken deutscher Nationalität aufzunehmen.“
Das schrieb Bischof Radanay schon 1688 an die Hofkammer.
Der habsburgische Kaiser siedelte hier zusammen mit den kirchlichen und weltlichen Grundherren gezielt deutsche Bauern an.

Im 17. und 18. Jahrhundert kamen auf diese Weise etwa eine halbe Millionen deutsche Bauern und Handwerker in das heutige Ungarn.

Bevor die Gegend Ende des 17. Jahrhunderts in die Hand des Hauses Habsburg geriet, hatten in Pécs fast 150 Jahre lang die Osmanen geherrscht.
Zwei Moscheen sind heute die offensichtlichsten Überbleibsel aus dieser Epoche.

Die kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Türken hatten die Gegend südlich von Pécs fast vollkommen entvölkert.
Deshalb forcierte der Kaiser das sogenannte „Einrichtungswerk“, die Wiederbevölkerung der frisch eroberten Gebiete.

Die Familien stammten aus dem Elsass, aus Lothringen, aus der Pfalz, dem Saarland, aus Baden-Württemberg, aus Luxemburg, Hessen, Franken und Bayern. Einige kamen auch aus der Schweiz, aus Westfalen, Preußen, Sachsen, Thüringen, aus Österreich, Böhmen und Mähren.

Heute spricht man oft von „Donauschwaben“ oder der „Schwäbischen Türkei“.
Hübsche Schlagwörter, aber leider irreführend.

Zutreffender ist die Bezeichnung als „Stiffoller“ (vom Stift Fulda). In der Gegend um Fünfkirchen kamen viele der Bauern aus der Gegend rund um Fulda, so dass sich hier ein hessisch geprägter Dialekt erhalten hat.
Johann Habels Familie gehört zu den „Stiffollern“.

DIALEKT
Leider habe ich bisher nur zwei Sätze im Dialekt gehört.
Da ich aus Hessen stamme, klangen sie seltsam vertraut.
Ich bin aber nicht sicher, ob ich einem ganzen Gespräch im donauschwäbischen Dialekt folgen könnte.
Demnächst werde ich es ausprobieren.
Ich werde in die kleineren Dörfer rund um Pécs fahren.

Dort gäbe es ein einzigartiges Gemeinschaftsgefühl, schwärmte ein Mitglied der Hannoveraner Minstrels - eine der Volkstanzgruppen, die kürzlich zu dem Jugendtreffen nach Pécs gekommen waren.
Andere beschrieben mir die Dörfer als „lebendige Freilichtmuseen“.
Ich bin gespannt.

Rund um die Weinstraße in Villany stammen viele der Winzer aus ungarndeutschen Familien.
Vielleicht löst der Wein auch meine Zunge und ich kann endlich Ungarisch...

KNOBLAUCH MIT MARMELADE
Einstweilen gebärde ich mich in Geschäften und Lokalen meist wie eine Taubstumme. Mir schwant, wieso im Slawischen der Name für die Deutschen sich von dem Wort für „stumm“ ableitet:
Im Tschechischen etwa werden wir „nemecky“ genannt.
„nemy“ bedeutet „stumm“.
(Erneut muss ich hier die Betonungszeichen schuldig bleiben – die Tastatur gibt sie nicht her.)

Dabei bieten die slawischen Sprachen im Vergleich zum Ungarischen noch relativ viel verbale Anknüpfungspunkte.
Das Ungarische steht zusammen mit dem Finnischen in Europa ganz allein.

Einsam im undurchdringlichen Sprachregen fühle auch ich mich oft.
Besonders, wenn ich mein frisch gekauftes Marmeladenbrot in den Mund schieben will und erst dann merke, dass ich aus Versehen Knoblauchbrot erstanden habe.

Knoblauch mit Marmelade - das hilft zumindest gegen Vampire.
Falls die Blutsauger im Zuge der Stephenie-Meyerisierung der Welt auch nach Transdanubien kommen.

2 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Serwus Maige,

Willst noch a bisschje Schwowisch oharige ? Ich khon's vleicht erledige...

PX,
T.

Maike Wetzel hat gesagt…

Danke für das Dialekt-Angebot und das Verfolgen des Blogs. viele Grüße, Maike Wetzel

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